Die Anfänge
Die Anfänge gehen zurück in die siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. In dieser Epoche, von 1972 bis 1981, beherrscht vom Pioniergeist des beginnenden Computer-Zeitalters, wurden IF-Projekte an Universitäten im Rahmen der Forschungsarbeit entwickelt.
Der vielleicht erste Abenteurer war, ohne es seinerzeit zu wissen, ein farbiger Sklave namens Stephen Bishop, der um 1820 geboren wurde. Er war Führer in der "Mammoth Cave" im Nationalpark Kentucky, die mit über 620 km erforschtem Terrain als das längste Höhlensystem der Welt bekannt ist. Er bezeichnete die Höhle als groß, bedrückend und eigenartig. Die Geschichte der Höhle ist wie ein Mikrokosmos der amerkanischen Geschichte. Einer Legende zufolge wurde die Höhle 1790 von einem amerikanischen Jäger namens John Houchin entdeckt, der einen verwundeten Bären bis zu einer Fallgrube in der Nähe des Green River verfolgte und dabei den Eingang entdeckte.
Die Höhle war voller Fledermäuse und das Fledermaus-Guano wurde während des Krieges von 1812 benötigt, um aus den darin enthaltenen Nitraten Salpeter für Schießpulver zu gewinnen. Nach Kriegsende fiel der Preis dafür beträchtlich und die Höhle wurde durch den Fund einer getrockneten indianischen Mumie, die in einem steinernen Sarg aufrecht saß, zu einem Nebenschauplatz der Archäologie. "Fawn Hoof", wie sie genannt wurde, wurde 1812 von einem Wanderzirkus mitgenommen, zog auf dessen Reise Besucherscharen aus ganz Amerika an und landete schließlich im Smithsonian Museumskomplex in Washington.
Die Höhle wurde in den 1820er Jahren als Weltwunder bekannt. Im frühen neunzehnten Jahrhundert waren europäische Höhlen große Touristenattraktionen, aber der Mammoth Cave blieben die Besucher fern, trotz ihrer Berühmtheit. Im Jahre 1838 kaufte Stephen Bishop's Besitzer die Höhle. Stephen, der als Sklave ausnahmslos mit dem Vornamen angesprochen wurde, war in jeder Hinsicht ein bemerkenswerter Mann: er war Autodidakt in Latein und Griechisch und wurde Herrscher über ein unterirdisches Reich.
Er erforschte und benannte große Teile der Höhle in seiner Freizeit und verdoppelte die bekannte Karte innerhalb eines Jahres. Seine Namen hatten einen unverwechselbaren Charme, halb hausbacken-amerikanisch, halb klassisch. Der "River Styx", der "Snowball Room", die "Little Bat Avenue", der "Giant Dome".
Stephen fand seltsame blinde Fische, Schlangen, stille Grillen, die Überreste von Höhlenbären (wilde Kreaturen, fünf Meter lang und vier hoch, die am Ende der letzten Eiszeit ausgestorben sind), Jahrhunderte alte indianische Gipsarbeiten und noch mehr Bereiche der Höhle. Seine 1842 erstellte Karte, komplett aus dem Gedächtnis gezeichnet, war noch vierzig Jahre später in Gebrauch.
An der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert, waren die nahe gelegenen Höhlen heiß begehrt und stark frequentiert. In der direkten Nachbarschaft eröffnete die "Great Onyx Cave" ihre Pforten für die Besucher und in den 1920er Jahren waren die Höhlenkriege von Kentucky in vollem Gange.
Rivalisierende Eigentümer lenkten Touristen mit falschen Polizisten ab, stellten Handlanger an, um die geführten Touren der Konkurrenten zu unterbrechen, brannten Ticketverkaufsstellen nieder und veröffentlichten verleumderische und gefälschte Werbeanzeigen. Höhlenforschung wurde gefährlich und geheimnisvoll, so dass schließlich im Jahr 1941 die US-Regierung entschied, einen Großteil der Fläche zu einem Nationalpark zu machen und Höhlenforschung zu verbieten. Der Goldrausch der Touristen flaute ab.
Überzeugt, dass die Mammoth und Flint Ridge Höhlen alle in einem einzigen unterirdischen System von etwa 400 Meilen Ausdehnung verbunden waren, versuchten Entdecker über Jahre hinweg, geheime Eingänge zu finden und gewannen schließlich die Unterstützung der Regierung. Während der 1960er Jahre endeten alle möglichen Verbindungen von Flint Ridge - schwierige Passagen und mit Wasser gefüllte Tunnel - frustrierend in Haufen von Felsbrocken.
Einer Physikerin namens Patricia Crowther, gelang der Durchbruch im Jahr 1972, als sie am "Tight Spot" eine schlammige Passage fand: ein verborgener Weg in die Mammoth Cave.
Nach dem Willen seines Besitzers erhielt Stephen Bishop im Jahre 1856 seine Freiheit, zu diesem Zeitpunkt verzeichnete die Höhle stattliche 226 Avenues, 47 Domes, 23 Pits und 8 Waterfalls. Er starb ein Jahr später, bevor er seine Frau und seinen Sohn freikaufen, und sein ehrgeiziges Ziel einer Farm in Argentinien verwirklichen konnte. In den 1970er Jahren wurde Crowthers schlammige Passage auf seiner Karte entdeckt.
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Ein Gefährte bei der Höhlenerforschung Pat Crowthers war ihr Mann Will, der bereits Computer-Plotter benutzt hatte, um für die Gruppe Karten zu zeichnen.
"Ich war zu diesem Zeitpunkt an einem Nicht-Computer-Rollenspiel beteiligt, das Dungeons and Dragons hieß (1975), und auch ich hatte die Höhlen erforscht ... Plötzlich fand ich mich in einem Scheidungsverfahren wieder, und das hat mich aus der Bahn geworfen, auf verschiedene Weise. Vor allem fehlten mir meine Kinder. Auch die Höhlenerforschung war beendet, weil es gefährlich geworden war, so entschloss ich mich, ein wenig herum zu albern und ein Programm zu schreiben, das eine Fortführung der Höhlenerforschung in meiner Phantasie war, und auch ein Spiel für Kinder sein sollte ...
Meine Idee war, ein Computerspiel zu schaffen, das auch "Nicht-Computer-Menschen" nicht verschreckt, und das war einer der Gründe, warum ich es so entwickelt habe, dass der Spieler das Spiel mittels natürlicher Sprache lenkt, anstatt abstrakte Befehle zu verwenden."
(aus Dale Peterson, Genesis II: Creation and Recreation with Computers, 1983.)
Das Spiel "Advent" genannt, hatte dabei durchaus Vorbilder. Im Computer-Bereich wurde 1972 "HUNT THE WUMPUS" (von Gregory Yob) veröffentlicht, ein Text-Labyrinth-Spiel und im gleichen Jahr "SHRDLU" (von Terry Winograd), das einen bemerkenswerten Parser hatte. Im Literatur-Bereich sind Oulipo und andere spielerische Literaturgattungen zu nennen, die, hauptsächlich in Frankreich, es sich zum Ziel gesetzt haben, durch Umformung Bücher mit offenem Ende zu schaffen: so besteht Raymond Queneaus "Hunderttausend Milliarden Gedichte" (1962), aus einer Sammlung von zehn Sonetten, deren Zeilen er in Streifen geschnitten hatte, die zu 1014 verschiedenen Variationen kombiniert werden konnten.
"Crowther's Advent" wurde zu einer Simulation der "Bedquilt Cave Area" und hat im Grunde eine neue Kategorie eines Computer-Programms und eine neue Kategorie der Literatur geschaffen. Das Ziel war die Erforschung der Umgebung, mit fünf versteckten Schätzen und wenigen "natürlichen" Hindernissen als Puzzles, wie der Schlange, den Zwergen und dem Piraten und der limitierten Batterie der Metalllampe, dem einzigen Begleiter des Spielers. Wie das reale Bedquilt, hatte die Simulation eine Karte mit vier verschiedenen Tiefenstufen und war reich an geologischen Details.
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Während seiner Arbeit bei SAIL, der Stanford Artificial Intelligence Laboratory, im Frühjahr 1976 entdeckte Don Woods Crowthers Spiel, das über das aufkeimende Computer-Netzwerk ARPANET gespielt werden konnte, das Ergebnis einer Zwangsverbindung zwischen den Rechnern der Hochschule und des Department of Defense PDP-10 (und einigen anderen) im Jahr 1969.
Mit dem Segen Crowthers, aber völlig unabhängig von ihm, überarbeitete Woods die Höhlen und füllte sie mit magischen Gegenständen und Puzzles, die sich über den ursprünglichen Stil des Spiels zeitweise großzügig hinwegsetzten.
Ein Großteil der klassischen Qualität des Spiels resultierte aus der Spannung zwischen der Original-Simulation, der detaillierten Bescheibung der entdeckten Höhlen mit ihren geheimnisvollen Markierungen und spektakulären Kammern einerseits und der Cartoon-artigen Ergänzungen - der Troll-Brücke, dem riesigen Haus, dem orientalischen Zimmer, dem aktiven Vulkan.
Crowther gab dem Spiel ein strenge, "Tolkien"-artige Note und eine gelungene Geographie, besonders an den Rändern der Karte: Wälder und Schluchten, die zertrümmerten Höhlen, der Orange River Rock. Einige von Woods Zusätzen, wie der Bär, waren sympathisch, aber andere, wie der Automat mit frischen Batterien für die Lampe, standen den ursprünglichen Absichten entgegen.
Aber ihre seltsame Zusammenarbeit stand irgendwie im Einklang. Man kann sagen, es steckt ein Crowther und ein Woods in jedem Spieldesigner - der eine versucht, eine detallierte Spielwelt zu erschaffen, der andere wirklich nette Rätsel, die irgendwie dazu passen sollen.
Bis 1977 wurden Bänder von "Advent" weitgehend durch die "Digital Usergroup DECUS" verbreitet, und beanspruchten die Mittagspausen und Wochenenden der Mitarbeiter. Die Idee verbreitete sich, und erreichte nach und nach die breite Öffentlichkeit, als das Spiel mehr und mehr Freunden und Bekannten gezeigt wurde.
Heute gibt es eine große Bandbreite des Spiels "Adventure". Dieser Link führt zu der entsprechenden Seite der IFDB.
(sinngemäß übersetzt aus "The Inform Designer's Manual, Fourth Edition" von Graham Nelson)