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Eidolon

Eidolon, von A.D. Jansen

Eidolon (griechisch), kleines Bild, Trugbild, Spiegelbild, Gespenst

Zuallererst fällt das gute Design auf: der Text, gut lesbar in einer angenehmen Größe, wird Abschnitt für Abschnitt langgsam eingeblendet, Links sind in dezentem Grau hinterlegt. Dies regt an, wirklich langsam und aufmerksam zu lesen. Optionenlisten gibt es nicht, die Steuerung passiert ausschließlich über Schlüsselwörter im Text. Das übliche Problem, der Unvorhersehbarkeit, was durch den Klick auf einen Link passiert, wird entschärft, denn ich habe keine unfairen Sackgassen gefunden.

Aber viel wichtiger als die Präsentation sind natürlich die Inhalte. Beispielhaft gemacht: Der Text ist voller rätselhafter Hinweise, die Spannung aufbauen und zum Weiterspielen verleiten: Die Uhr ohne Zeiger, die Tür, die immer verschlossen ist, rätselhafte Spiegelbilder, das dunkle Haus, das Loch im Himmel. Der Spieler wird immer tiefer in die clever ausgedachte Geschichte hineingezogen.

Das Spiel ist sehr lang. Ich habe es in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht geschafft, zu einem Ende zu gelangen. Trotzdem wird es nie langweilig, das Pacing ist hervorragend, nie verweilt man an einer Stelle zu lange. Wenn man das Spiel beginnt, sollte man wohl 3-4 Stunden einkalkulieren, denn ein erneutes Anspielen ist etwas mühsam (eine Schwäche vieler linearer Spiele).

Fazit: „Eidolon“ ist ein starker Beitrag zur IF comp und hat einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Für mich ganz klar ein Anwärter auf einen Spitzenplatz des Wettbewerbs. Unbedingt spielen!

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Begscape

Begscape, von porpentine.

Begscape versetzt uns in eine Fantasywelt und wir nehmen die Rolle eines Bettlers ein. Tag um Tag versuchen wir, wertvolle Münzen zu sammeln, um am Ende Schutz in einer Unterkunft zu finden. Hat man nicht genug Münzen, verschlechtert sich der Gesundheitszustand.

Die Orte haben fantasievolle Namen und auf der Reise begegnet man verschiedenen Leuten, die einem entweder helfen oder nicht. Es gibt Gegenden, in denen die rettende Zuflucht teurer ist, und solche, wo sie günstiger ist. Die Orte sind scheinbar zufällig bestimmt. Ab und zu vertreibt uns die verägerte Bevölkerung.

Ehrlich gesagt, habe ich den Sinn des Spiels nicht verstanden. Es mag an einer sprachlichen Barriere liegen, auf jeden Fall habe ich nach zig Durchläufen (einmal habe ich vierzehn Tage überlebt) den Kern der Sache nicht verstanden. Die Spielmechanik ist scheinbar sehr einfach gestrickt und zufallsabhängig. Das ist in meinen Augen zu wenig, um eine glaubwürdige und facettenreiche Welt darzustellen.

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Zest

Zest, von R. Goodness, Lectronice & Paperblurt

Von der Mitteilung „Zest is a game with bad words“ zunächst einmal irritiert, findet man hier auf den zweiten Blick ein technisch interessantes Twine Spiel, das als Kooperation zwischen einem Texter, einem Programmierer und einem Künstler entwickelt wurde. Ein gelungener Ansatz, zumal die einfachen Grafiken das Spiel wirklich gut illustrieren.

„Zest“ schickt den Spieler auf ein wirre Reise. Ein typischer Tagesablauf, der sich immer wieder wiederholt, beinhaltet das Aufwachen auf dem heimischen Sofa, die morgendliche Busfahrt, die Arbeit in der Limobar, ein optionaler Kirchenbesuch oder ein Besuch des Tabakladens, um sich mit neuem „Stoff“ zu versorgen. Je nachdem, welche Optionen der Spieler wählt oder auslässt, ergeben sich im Spielverlauf weitere Handlungsmöglichkeiten.

Das Spiel lebt davon, dass der Spieler das Gefühl bekommt, er verbringe wirklich „mehrere Tage“ vor dem Bildschirm und er bewege sich in einer kleinen abgeschlossenen Welt. Vorbild war hier vermutlich Porpentines „howling dogs“. Wenngleich auch das Thema mich nicht sonderlich anspricht, war ich doch positiv überrascht. Gut gefallen hat mir, dass der Text in weiten Passagen nicht als Block, sondern als einzelne Wörter erscheint, die im Lesetempo eingeblendet werden.

Ebenfalls positiv ist, dass das Spiel sich den Fortschritt merkt und „Achievements“ erspielt werden können. So kann man beim nächsten Durchlauf versuchen, auf ein anderes Ende hin zu spielen.

Fazit: Technisch gelungene Kooperation, gute Präsentation, wenngleich die Sprache sicherlich nicht jedermanns Geschmack ist, passt sie aber hier zum „Thema“.

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Enigma

Enigma, von Simon Deimel.

Die Geschichte ist als raffiniertes Versteckspiel angelegt, bei dem der Spieler nach und nach die Wahrheit aufdecken muss, um schließlich zu einer endgültigen Entscheidung zu gelangen.

Dabei setzt der Autor geschickt einen einfachen Mechanismus zugrunde. Es genügen zwei Verben, um dieses Spiel zu lösen und zwei weitere, um die finale Entscheidung herbei zu führen.

Je länger man spielt, desto klarer wird das Szenario enthüllt. Dabei ergeben gerade die kleinen Details aus dem Umfeld des Protagonisten am Ende ein facettenreiches und stimmiges Gesamtbild. Schade, dass die Geschichte etwas vorhersehbar ist, daher hat man gegen Ende einen kleinen Wissensvorsprung vor dem Protagonisten. Die letzte Aktion, bevor man die entscheidende Handlung ausführen kann, scheint mir redundant, was aber der Atmosphäre keinen Abbruch tut.

Fazit: Einfallsreiches Spielprinzip, technisch grandios umgesetzt, ein guter Einstieg in die IF Comp 2014.

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Der Süßigkeitenladen

Der Süßigkeitenladen, von Katharina Müller.

Selten habe ich eine so sorgfältig geschriebene Geschichte gespielt. Damit meine ich weniger die Implementierung, als vielmehr die Beschreibungen. Ich fühle mich sofort in die Geschichte hineinversetzt und sowohl der verstorbene Onkel als auch der Laden werden geschickt durch Erinnerungen der Protagonistin charakterisiert. Die Immersion ist hier gut gelungen.

Der Blick ins Walkthrough verrät, dass die Autorin sich ausführlich mit der unterschiedlichen Reihenfolge der Ereignisse auseinandergesetzt hat. Auch dafür sammelt der „Süßigkeitenladen“ Pluspunkte. Die Geschichte ist so kurz, dass man sie gerne noch einmal spielt, ohne das Gefühl zu haben, dass die Textpassagen langweilig werden.

Die Implementierung hakt an einigen Stellen noch, z.B. bei einer Kiste, die ich im Süßigkeitenregel entdecke, sie danach aber mangels Vokabular nicht mehr referenzieren kann, ebenso wie die Antwort auf das Durchsuchen des Regals, dass sich nichts darauf befindet. Kleingkeiten, die aber gerade bei der kurzen Länge störend auffallen. Außerdem kann ich die Rechnung nicht ansehen, die mir wohl etwas über eine kürzliche Lieferung erzählt hätte. Etwas mehr Politur würde hier Wunder wirken.

Leider bin ich schnell am Ende angelangt, hätte ich doch zu gerne mehr über die damalige Freundin meines Onkels erfahren oder den erwähnten Bäcker besucht, um ihn nach meinem Onkel zu fragen. Trotzdem: beim „Süßigkeitenladen“ punktet gut gemachte Einfachheit vor schlecht umgesetzter Komplexität. Kurz und gut: ein vielversprechendes Debut, weiter so!

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Treffen am Nebelgrat

Treffen am Nebelgrat, von David Görzig.

David Görzigs „Treffen am Nebengrat“ versetzt den Spieler in eine kleine Fantasywelt rund um ein Dorf mit Wirtshaus, Hofstelle, Mühle, Schmiede, Wiese und Weiher. Die Konversation wird in ein Menüsystem gepackt, das sich hier als effektiv und gut herausstellt. Das Setting an sich ist schön umgesetzt, die Gegenstände erscheinen jedoch manchmal „lieblos“ in einem einfachen „Du siehst hier…“ Text.

Der Autor, der bereits an mehreren Spielen beteiligt war, verwendet oft lange Texte, die manchmal wie zufällig, meist durch das Aufsuchen eines bestimmten Ortes, abgespult werden. Diese Passagen sind zwar abswechslungsreich geschrieben, trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, es wäre besser, diese in spielerischer Hinsicht zu vermitteln. Ein Beispiel gleich zu Anfang: man hätte das „Geburtstagsgeschenk“ Onkel Barry’s in eine Schachtel packen können, deren Inhalt der Spieler mit Schrecken entdeckt, als er sie in die Hand nimmt.

Ebenfalls schwach umgesetzt ist ein Timerpuzzle, welches als solches erst erkannt wird, als es zu spät ist. Das ist schlechtes Rätseldesign, denn es zwingt den Spieler komplett von vorne anzufangen, als schon fast alle wesentlichen Entdeckungen gemacht worden sind. Dabei fällt ins Gewicht, dass ein zentraler Gegenstand sehr schwer versteckt ist und nur durch „Zufall“ entdeckt wird. Schade, schade.
Ein großes Manko: ich muss eine ganze bestimmte Reihenfolge einhalten, die desöfteren jeglicher Logik entbehrt. Halte ich mich nicht daran, scheitere ich am Ende des Tages.

Nach dem erneuten Anfang habe ich weitere Schwächen festgestellt. Der Keller des Wirtshauses ist nicht erwähnt, ich habe ihn nur über das Walkthrough gefunden. Auch, dass ich nach dem Lösen des Hunderätsels das Loch untersuchen muss, wird mir nicht klar gemacht. Weitere unlogische Verkettungen folgen. Je weiter ich vorankomme, desto mehr Gegenstände finden sich, die entweder nicht erwähnt oder erst durch spezifische Aktionen gefunden werden.

Auch hat das Spiel ab und an Probleme mit dem Scope und es erscheinen NPC’s in der Raumbeschreibung, die gar nicht an diesem Ort sind. Aufgrund der Länge fällt das umso schwerer ins Gewicht. In 90 Minuten Spielzeit ist das Spiel definitiv nicht zu lösen.

Das Konzept an sich ist gut und ausbaufähig, aber das Spielgefühl gleicht eher einem rohen Skelett, das noch gefüllt werden muss. Meiner Meinung nach hat das Spiel das Potential auf einen Spitzenplatz unter den Top Ten der deutschen Textadventures, wenn an einigen Stellen grundlegend nachgebessert wird.

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Baukis

Baukis, von Dreischütz

Eins vorweg: Baukis polarisiert wie kein zweites Spiel. Ich war Betatester in einer relativ späten Phase des Spiels. Es erschlägt den Spieler im wahrsten Sinne des Wortes, die Texte prasseln wie Schläge auf den Spieler ein. Wer Lyrik mag, kommt voll auf seine Kosten. „Baukis“ nimmt eine Sonderstellung ein, die ich so bei einem IF-Spiel noch nicht gesehen habe. Es scheint auch, dass das Spiel die Grenzen des T.A.G. Systems sprengt, denn der Windows Interpreter geht manchmal in die Knie und man muss speichern und neu starten, um das Spiel wieder „flüssig“ zu bekommen.

Der Spielmechanismus ist gelungen, denn er verlangt vom Spieler vor allem eines: Erkundung. Ein Prinzip, das ich immer als sehr positiv empfinde, der Spieler muss sich die verfügbaren Gegenstände erst „erspielen“, indem er im Meer der wogenden Worte langsam herausfiltert, was denn an einem Ort überhaupt referenzierbar ist, oder eben wichtige Gegenstände erst auf den zweiten Blick erkennt.

Die Geschichte erschließt sich mir auch nach mehrmaligem Durchspielen nicht ganz. Vielleicht ist es mein Fehler. Der Spieler irrt wie im Fieberwahn durch eine wirre Gedankenwelt aus Erinnerung, Schmerz und Sehnsucht.

Trotz aller Wortgewalt vermag Baukis als Parser-IF nicht restlos zu überzeugen. Die sehr langen Texte bremsen den Spielfluss ernorm und man muss sich regelrecht zwingen, alles bis in kleinste Detail zu durchforsten, sonst passiert es allzuleicht, einen wichtigen Gegenstand oder einen Ausgang zu übersehen. Die letzte Szene ist sehr mühsam, da ich keinen blassen Schimmer habe, was ich tun muss. Trotzdem: „Baukis“ ist ein interessantes Experiment, mit dem der Autor einen gekonnten Umgang mit dem Autorensystem beweist.

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Malony und die verschwundenen Knochen

Malony und die verschwundenen Knochen, von Canis Lupus.

In Malony und die verschwundenen Knochen löst der Spieler als „Filip Malony“ einen Kriminalfall. Der Autor schreibt unter dem Pseudonym „Canis Lupus“. Das Spiel ist mit Twine erstellt und für das Durchspielen habe ich etwa vierzig Minuten gebraucht. Der Autor verpackt die Handlungsstränge geschickt in eine kleine Topographie, deren Orte jeweils mehrfach aufgesucht werden können, um dort Zeugen zu befragen, Gegenstände zu erhalten oder Hinweisen nachzugehen. Positiv fällt auf, dass der Autor abweichend von vielen CYOA Titeln ein „klassisches“ Inventar eingebaut hat, das im Lauf des Spiels stetig wächst. Das Inventar ist meist Schlüssel für das Vorwärtskommen in der Geschichte.

Ein großes Manko von Hypertextgeschichten ist der sich oft wiederholende, gleichartige Text. Dem entgegnet der Autor teils mit „konditionellen“ Passagen, die nach dem Besuch verschwinden, sofern hier keine neuen Erkenntnisse vermittelt werden. Insgesamt hätte dies noch etwas konsequenter umgesetzt werden können, an einigen Stellen fand ich, dass noch zuviele dieser „toten“ Links existierten, an einem Hauptwendepunkt der Geschichte ist dies aber prima gelungen: dort schrumpfen die möglichen Passagen auf drei und verhindern damit allzu ausuferndes Zufallsgeklicke. Sehr positiv.

Die Art, wie der Autor diese Geschichte aufgebaut hat, erinnert stark an traditionelle Parser-IF. Die Geschichte an sich ist locker erzählt und unterhaltsam. Ein guter Ansatz, ich bin auf weitere Spiele dieser Art sehr gespannt.

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My Father’s Long Long Legs

My Father’s Long Long Legs von Michael Lutz.

Bereits nach wenigen Zeilen hatte mich „My Father’s Long Long Legs“ unweigerlich in seinen Bann geschlagen. Selten habe ich ein so gruseliges und atmosphärisch dichtes Textspiel gelesen. Gespannt verfolgt man Abschnitt für Abschnitt der sehr linearen und fast „entscheidungsfreien“ Handlung.

Und genau das macht das Spiel herausragend: eben die Geschichte gar nicht ändern zu können, die Fehler des Protagonisten nicht verhindern zu können, das übermächtige Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt, und die grauenvolle Vorahnung der Entdeckung am Ende.

Spieltechnisch wird hier gekonnt die Dramaturgie durch „Dunkelszenen“ auf die Spitze getrieben, in denen man den Text mit einer Lampe suchen muss. Der Schluss scheint ein wenig vorhersehbar, doch tut das der Spannung keinerlei Abbruch.

„My Father’s Long Long Legs“ ist eine der ersten Twine Geschichten, die ich mit Spannung bis zum bitteren Ende verfolgt habe. Dabei gleitet der Horror nie ins Klischeehafte ab, er bleibt stets subtil und schöpft gerade daraus eine beachtliche Intensität.

Das Spiel findet man hier.

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The Surprising Case of Brian Timmons

Lovecraft in a nutshell.

„The Surprising Case of Brian Timmons“ ist das zweite Werk von Marshal Tenner Winter und man merkt schnell, dass es einige Ecken und Kanten gibt, die das Spiel im Vergleich zu besser implementierten Geschichten etwas abfallen lassen.

Trotzdem sehe ich hier die Bestätigung, dass Suspense und Forscherdrang nach wie vor die großen Zugpferde von IF sind. Sicher, wir haben es hier mit einem Railroadabenteuer zu tun, das brav und linear Szene an Szene reiht, ohne dem Spieler viel Freiraum zu gewähren. Zudem laufen die Szenen fast immer nach dem gleichen Schema ab. Durch den relativ schnellen Wechsel kommt trotzdem nie Langeweile auf.

Die Texte sind äußerst knapp gehalten und gerade das macht das Spiel interessant. Beschreibungen wie „It (the building) tries to look modern and caring, but on a gray day like today, it fails.“ lassen dem Leser viel Freiraum für Interpretation und doch ist das Wesentliche gesagt. Ein Talent, das der Autor in der Geschichte an einigen Stellen eindrucksvoll unter Beweis stellt.

Konversation beruht hauptsächlich auf den Schilderungen der NPC’s die dem Spieler nicht auf Nachfrage, sondern durch eine automatisch ablaufende Szene vermittelt werden. Ungewöhnlich, passt aber hervorragend ins Konzept der Einfachhheit, das sich durch das gesamte Spiel zieht.

Fazit: es gibt besser implementierte Spiele und doch lohnt es sich ein näherer Blick. Zeigt dieses Werk doch, wie wenig es braucht, um ein stimmungsvolles Spiel zu schreiben. Sofern der Autor noch einige der Ecken und Kanten poliert, kann TSCOBT locker noch ein paar Wertungspunkte gut machen.